– Ein Wahnsinn der besonderen Art
Es war nicht leicht eine zweite Dame zu finden, die ein 24h Inline-Rennen in Le Mans fahren wollte. Ich hab sie gefunden, Kathi Reiterer, eine ehemalige Studienkollegin, die noch vor einem halben Jahr mit skaten noch nicht wirklich viel am Hut hatte, aber mit der ich bereits den Gigathlon im Team 2013 bestritten habe. Mit unseren beiden Betreuern Flo und Pedi gingen wir das Projekt Le Mans 2014 an.
Es schien dennoch, als wenn uns das Schicksal von Le Mans fern halten wollte. Zum Training kamen wir beide leider nur selten (definitiv zu wenig für so ein Vorhaben). In der Woche zuvor kämpften sowohl Kathi als auch ich mit einer aufkommenden Erkältung und einer Blasenentzündung, die ich erst am Weg nach Le Mans besiegte. Nach einem eh schon verspäteten Start wegen Verstopfung der Stadt Graz und einem vollgepackten Auto kamen wir leider nur bis St. Michael, dann streikte Scotty. Der ÖAMTC konnte uns nach 2h vergebenen Suchens nicht helfen und schickte uns um 17:30 Uhr ins Wochenende mit der Theorie, dass der Motor wahrscheinlich einen Schaden hat, dies könne man aber erst am Montag herausfinden. T-2,5h bis zum Start, die Nerven lagen blank. Unzählige Telefonate um ein Ersatzauto begannen, bis wir 19:30 Uhr umgepackt in einem Toyota Landcruiser saßen. Jetzt startete Peter seinen ersten Marathon und fuhr uns staufrei in 13,5 Stunden die 1400km nach Le Mans. T-8h.
Das Rahmenprogramm des Bewerbes war recht minimalistisch. Mit Ausländern die nicht französisch sprechen wurde nicht gerechnet. Nicht einmal die Sicherheitsnadeln waren bei 250,- Euro Startgeld inklusive, aber dafür war man am Burgatti Cirquit de Le Mans.
Um 13:00 Uhr konnte man endlich seine zugewiesene Box beziehen, in der einem 8m² zur Verfügung gestellt werden sollten. Bei unserer Box angekommen wussten wir dann, warum sich manche schon 4 Stunden vorher am Eingang angestellt haben. Denn nur die ersten bekamen die 8m², der Rest, naja, wir hatten dann ungefähr 2m² für 4 Personen, 1 Liege, 2 Sessel, 5 Taschen, ne Herdplatte, Wasserkocher und vieles Zeug mehr, was man so in 24 Stunden brauchen könnte. T-2,5h
Pünktlich 14:00 Uhr startete die Qualifikation im Regen. Durch eine 300m Zeit erskatete man sich die Startposition, was vom Platz 1-500 immerhin 300m mehr Wegstrecke bedeuteten. Auf Platz 179 waren wir gut dabei. T-2h
Das Briefing vor dem Rennen, die Nationalitätenzeremonie und die vorzeitige Startaufstellung wurden aufgrund des Regens schon mal weggelassen. 5 Minuten vor dem Start kamen alle aus ihren Boxen, suchten ihren Startplatz, positionierten die Skates, so wie es sich bei einem Le Mans Start gehört auf der gegenüberliegenden Straßenseite und stellten sich in Socken auf die andere Seite. Kreative Ideen zeigten, dass es wohl für einige nicht der erste regnerische Start war. Die Emotionen in diesem Moment waren ein Wahnsinn. Eine bis zum letzten Platz gefüllte Tribüne mit jubelnden Menschen, toller Startmusik und gleich nervösen Menschen rechts und links neben mir. Startsignal hab ich keines gehört, aber auf einmal liefen alle los zu ihren Skates. Der schnellste brauchte laut Videoanalyse 3 Sekunden zum anziehen und losfahren, keine Ahnung, wie man das schafft. Ich kann zumindest stolz behaupten, in dieser Disziplin Viktor Wilkin (der ebenfalls in einem 2er Team an den Start ging) geschlagen zu haben.
Voller Motivation begannen wir das Rennen im mal mehr oder weniger starken Regen. Der sehr attraktive 4,185m lange Rundekurs hatte es in sich. Die Runde begann mit einem ca. 600m und 30 Höhenmeter langen Anstieg, was auf einer Runde nicht so schlimm scheint, aber bei 91 Runden 3000 Höhenmeter ergab. Nach der Steigung kam logischerweise die Abfahrt. Jene Abfahrt, vor der mich Hans-Peter schon warnte, ich es aber immer verharmlost habe. Prinzipiell hätte mir diese Abfahrt auch gefallen, aber nicht im Regen, auf einer Rennstrecke, wo der Gummiabrieb der Autoreifen eine glitschige Schicht hinterlässt und selbst Stormrollen keine Chance haben. Aber mit der Taktik, kurz anbremsen und immer schön außen fahren schafften wir es beide Sturzfrei. Die Rennstrecke generell war sehr schön und gar nicht langweilig, weder zu kurz und noch zu lang.
Das witzige war, wir haben beide im Nachhinein bemerkt, dass die Strecke sehr kurzweilig wirkte und man fast keine Zeit zum Nachdenken hatte. Nachdenken im Sinne von, man hat 24h Zeit sich mit allen möglichen sinnvollen und weniger sinnvollen Gedanken zu plagen. Jede einzelne Runde war man mit folgenden Gedanken beschäftigt:
„Oh Gott, der Anstieg, noch ein paar Schritte, dann ist dieser Schweinehügel vorbei und die Runde fast geschafft – so geschafft – ok, ganz cool, du schaffst die Abfahrt, ah schon wieder zu schnell, kurz bremsen, schön stabil stehen und durch – ok, wo ist ein Windschatten, Gegenwind ist übel – Linkskurve wieder schön stabil bleiben – juhu lange fallende Gerade, Gas geben, schön mit der Hüfte Fallen – ok zweite schlimme fallende Rechtskurve, konzentrieren uuuund geschafft- Windschatten finden!!! Die letzten 1,5 km sind Gegenwind, die willst du nicht alleine fahren, wo bleibt denn nur ein Windschatten – so die letzten zwei megarutschigen Kurven, einfach nur rollen – jawohl Zielgerade, puh noch immer anstrengend diese leicht steigende ewige Gerade – Ziellinie juhu, wieder eine Runde mehr, aufrichten und ab auf den Schweinehügel!“
Jepp 91 Runden die gleichen Gedanken, nur 4 Runden waren anders, denn 3 Runden waren fast trocken und die letzte hab ich dann tratschend genossen.
Taktiken hatten wir uns auch ein paar zurechtgelegt und nach dem ersten Wechsel sofort über den Haufen geworfen. Durch den Regen stand fest, zu kurze Wechsel waren nicht möglich, da man das umziehen nicht schafft und nass warten hätte ein frühzeitiges Ende bedeutet. Außerdem durften es nicht zu viele Wechsel werden, denn wir kamen schnell drauf, dass wir nicht genug Wechselkleidung mithatten. Zu lange Wechsel waren auch nicht wirklich drin, also versuchten wir in Wahrheit irgendwas. Das Ende vom Lied, in den ersten 12 Stunden bin ich fünf Halbmarathons gefahren und Kathi 3 mal 17km und 3 mal 10km, womit die Motivation draußen war. Die ewige Nässe und Kälte trieb uns in den Schlaf. Natürlich kamen Gedanken auf, das ganze Abzubrechen, so wie viele andere Teams auch. Nach einer zweistündigen Pause bekam ich jedoch die Panik der Ruhe und ging wieder hinaus um mal einen Marathon zu fahren. Völlig fertig schlief ich bei der folgenden Nahrungszufuhr im sitzen wieder ein. Laut Prognose sollte es um 6:00 Uhr aufhören zu regnen, doch dieses Wunder stellte sich nicht ein. Es schüttete weiter. Nach ungewisser Zeit spürte ich Kathis Hand auf meiner Schulter und neu motiviert und voller Kampfgeist starteten wir gegen 9:00 Uhr Vormittag noch einmal durch. Wie durch ein Wunder kam auch immer wieder einmal die Sonne heraus, doch gerade wenn die Strecke fast aufgetrocknet war und man endlich Rollen wechseln wollte, befeuchtete die nächste Wolke die ganze Strecke. So wurde es zu einem 24-Stundenrennen mit Stormrollen. Durch das Ziel fuhren wir als einziges Damen-Duo nach 91 Runden (C54/K37), 381km (C226/K155) und 3000Hm (C1800/K1200) und einem gesamt 358. Platz.
In Anbetracht, dass das Rennen bereits über 24 Stunden vorbei ist, blicke ich ausschließlich positiv zurück und würde so einen Blödsinn vielleicht noch einmal tun. Auch wenn die Füße Wund sind, das Kreuz bei jeder Bewegung ein Lied singt, ich die ganze Zeit nur Salzgurken esse und sich die Müdigkeit nicht mehr verbergen lässt – „es war ein Wahnsinn!!!“
Einen Riesendank an Kathi, die den Irrsinn mitgemacht und ihr erstes Skaterennen überhaupt bestritten hat. Auch einen Megadank an unsere Betreuer Pedi und Flo, die uns chauffiert, bekocht und zur rechten Zeit wieder auf die Strecke geschickt haben.
Fotos: http://fotos.sc-highlanders.com/?/cat…
Text: Conny
Ergebnisse: http://www.matsport.fr.php53-23.ord1-…
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